Heute erschien ein Artikel zum Fachkräftemangel im Vogelsbergkreis im Lauterbacher Anzeiger und in der Oberhessischen Zeitung.
Nachfolgend seien hier die dem Artikel vorausgegangenen Fragen und die Antworten unseres Geschäftsführers Herrn Busold dargestellt:
Wie stark ist der Fachkräftemangel im Handwerk im Vogelsbergkreis aktuell ausgeprägt?
Der Fachkräftemangel im Handwerk ist im Vogelsbergkreis schon lange angekommen. Er ist deutlich spürbar und betrifft nahezu alle Gewerke. Viele Betriebe berichten von offenen Stellen und einer oft langwierigen, nicht selten erfolglosen Suche nach qualifizierten Fachkräften. Dieser Mangel führt dazu, dass Aufträge nicht wie geplant abgewickelt werden können, was sowohl die Betriebe als auch die Kunden vor erhebliche Herausforderungen stellt.
Welche Handwerksberufe sind besonders betroffen und was könnten mögliche Gründe dafür sein?
Von einem besonderen Mangel muss man leider in den Lebensmittelhandwerken und in den klassischen Bauberufen sprechen. Ein wesentlicher Grund für diesen Mangel ist das veraltete Image vieler Handwerksberufe. In den Köpfen vieler Menschen existieren Vorstellungen über Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsfelder, die nicht mehr der heutigen Realität entsprechen. Moderne Handwerksberufe bieten oft attraktive Arbeitsbedingungen und vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten, was jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch nicht ausreichend angekommen ist.
Welche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel auf die Betriebe im Kreis?
Der Fachkräftemangel zwingt viele Betriebe dazu, Aufträge und Kunden abzulehnen, da die personellen Kapazitäten nicht ausreichen. Dies führt zu verlängerten Wartezeiten für Kunden und beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Einige Betriebe sehen sich sogar gezwungen, ihre Betriebsgröße zu reduzieren oder ganz aufzugeben, insbesondere wenn zusätzlich keine Nachfolge in der Betriebsführung gesichert werden kann. Dieser Trend gefährdet die mittelständische Struktur im Vogelsbergkreis und könnte langfristig zu einer Ausdünnung der regionalen Handwerkslandschaft führen.
Gibt es bereits Betriebe im Vogelsberg, die aufgrund fehlender Fachkräfte Aufträge ablehnen oder sogar schließen müssen/mussten?
Siehe Antwort zu 3.
Worin sehen Sie die Hauptursachen für den Fachkräftemangel in der Region?
Die Hauptursache liegt im demografischen Wandel: Es treten mehr Beschäftigte im Handwerk in den Ruhestand, als junge Menschen nachrücken. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, da die geburtenstarken Jahrgänge (“Babyboomer”) vermehrt in Rente gehen. Wir stehen also erst am Anfang dieser Entwicklung!
Zudem besteht seit Jahren eine Tendenz zur Akademisierung, wodurch viele Jugendliche ein Studium einer handwerklichen Ausbildung bzw. generell einer dualen Ausbildung vorziehen. Hinzu kommt, dass Handwerksberufe gesellschaftlich oft weniger wertgeschätzt werden, was sich negativ auf die Berufswahl junger Menschen auswirkt. Dieses Imageproblem trägt dazu bei, dass sich weniger Schulabgänger für eine Karriere im Handwerk entscheiden.
Allerdings sehen wir in den letzten Jahren doch auch wieder einige positive Entwicklungen hinsichtlich des Images des Handwerks.
Welche Strategien verfolgt die Kreishandwerkerschaft, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen?
Die Kreishandwerkerschaft hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Im Rahmen des Bundesprogramms “Passgenaue Besetzung” wurde eine Stelle geschaffen, die sich intensiv mit der Gewinnung von Auszubildenden beschäftigt. Unsere Mitarbeiterin, Frau Pepler, leitet das Projekt “Ausbildungsbotschafter”, das in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer und dem Vogelsbergkreis durchgeführt wird. Dabei präsentieren junge Menschen, oft selbst noch in der Ausbildung, ihren Beruf direkt in Schulen sowie auf Messen und anderen Veranstaltungen. Zusätzlich steht Frau Pepler den Betrieben als Ansprechpartnerin in allen Fragen rund um die Ausbildung und Fachkräftegewinnung zur Verfügung. Diese direkte Ansprache und Beratung sollen dazu beitragen, das Interesse junger Menschen für handwerkliche Berufe zu wecken und ihnen klare Perspektiven aufzuzeigen.
Ein weiterer Ansatz ist es, Hilfskräfte zu Fachkräften zu entwickeln. Hierbei unterstützt auch das Programm Beschäftigtenqualifizierung (BQ) der Arbeitsagenturen.
Wie sieht die aktuelle Ausbildungssituation im Handwerk im Vogelsbergkreis aus? Gibt es genügend Bewerber oder bleiben viele Stellen unbesetzt? Bitte erläutern Sie.
Wir können in den letzten Jahren von wieder leicht steigenden, zumindest aber nicht sinkenden Zahl von Ausbildungsverhältnissen im Vogelsberger Handwerk berichten. Es ist dennoch festzustellen, dass viele Ausbildungsplätze im Handwerk unbesetzt bleiben. Obwohl die Betriebe nicht verpflichtet sind, offene Stellen zu melden, zeigen Gespräche mit Unternehmensvertretern, dass die Suche nach geeigneten Auszubildenden oft erfolglos bleibt. Zudem ist die Zahl der ausbildenden Betriebe gesunken, was auf die Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen und die gestiegenen Anforderungen in der Ausbildung zurückzuführen ist. Dieser Trend ist nicht nur regional, sondern bundesweit zu beobachten und stellt eine ernsthafte Bedrohung für die zukünftige Fachkräfteversorgung dar.
Welche politischen Maßnahmen wären Ihrer Meinung nach notwendig, um den Fachkräftemangel zu lindern?
Es bedarf einer politischen und gesellschaftlichen Neuausrichtung, die die Gleichwertigkeit der dualen Ausbildung mit akademischen Bildungswegen anerkennt und fördert. Dies könnte durch gezielte Kampagnen und Bildungsinitiativen geschehen, die die vielfältigen Karriere- und Fortbildungsmöglichkeiten im Handwerk hervorheben. Zudem sollten bürokratische Hürden abgebaut und die Ausbildungsbedingungen für die Betriebe verbessert werden. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Förderung von Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, um mehr Frauen für handwerkliche Berufe zu gewinnen. Auch die Integration von Fachkräften aus dem Ausland sollte durch vereinfachte Anerkennungsverfahren unterstützt werden.
Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht die Fachkräftesituation im Vogelsberg in den nächsten zehn Jahren aus?
Die demografische Entwicklung ist nicht aufzuhalten, sodass der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter zunehmen wird. Insbesondere kleinere Betriebe könnten zunehmend Schwierigkeiten haben, qualifiziertes Personal zu finden, was zu einer weiteren Marktbereinigung führen könnte. Dies könnte zu einer Veränderung der mittelständischen Struktur im Vogelsbergkreis führen, mit insgesamt weniger, aber größeren Betrieben.